Diese Fragen bedürfen einer sehr differenzierten Beantwortung, da die Arthrose trotz des relativ einheitlichen Erscheinungsbildes keineswegs einen einheitlichen Begriff darstellt. Die ersten beiden Fragen betreffen auch bereits Jugendliche und jüngere Erwachsene, die Leistungssport und Hochleistungssport betreiben und durch wiederholte Mikro- und Makrotraumatisierungen die Gelenke belasten. Zu unterscheiden sind die Arthrosen der großen Gelenke sowie die Arthrosen der oberen und unteren Extremitäten, die Polyarthrosen der kleinen Gelenke sowie die Arthrosen der Zwischenwirbelgelenke. Unterschiede in der Entwicklung einer Arthrose ergeben sich durch verschiedenen Gelenkaufbau, durch die Kongruenz der Gelenkflächen, die ligamentär/muskuläre Gelenkführung sowie genetische Eigenschaften des hyalinen Knorpels, der auch in den verschiedenen Gelenken unterschiedlich aufgebaut sein kann, speziell im Knie- und Sprunggelenk.Wirkt Sport als Prävention von Arthrosen? Dient Sport in der Therapie bzw. der Rehabilitation von Arthrosen? Welche Sportarten sind bei den unterschiedlichen Lokalisationen einer manifesten Arthrose in welcher Form mehr oder weniger zu empfehlen? Gibt es bestimmte Sportarten als mögliche Ursache von Arthrosen?
Die Frage, ob Arthrose per se eine Krankheit darstellt, beantwortet Faßbender mit folgender Definition: " Die Arthrose ist zunächst einmal nur ein Begriff zur Beschreibung einer morphologischen Veränderung und nicht eines Leidens". Kommt der Arthrose Krankheitswert zu, so ist sie die häufigste Gelenkerkrankung des Menschen und beschreibt eine degenerative Veränderung, die das Gelenk mit allen aktiven und passiven Strukturen im Sinne der "Arthrose" sieht. Die dazugehörigen Strukturen wie Gelenkknorpel, subchondraler Knochen, Bänder, Gelenkkapseln, Synovialmembran und periartikuläre Muskulatur sind bei der Entstehung und der Behandlung zu berücksichtigen.
Die Frage zur Bedeutung von körperlicher
Aktivität in der Prävention
wie auch die Frage zur Bedeutung von
Sport in der Ätiologie der Arthrose
können auf Grund fehlender kontrollierter
Studien nicht sicher beantwortet werden.
Die Erfahrung spricht dafür, dass
moderate und regelmäßige
körperliche Aktivität das
Arthroserisiko eher verringert und auch
intensiv betriebener Sport in der Regel
nur in Verbindung mit weiteren arthrosebegünstigenden
Faktoren und Anlagen die Arthroseentstehung
beschleunigen kann. Groß angelegte
epidemiologische Studien zeigen, dass
bereits 50% aller 30-jährigen Menschen
degenerative Veränderungen von
Gelenken aufweisen. Die steigende Lebenserwartung
in unserer bewegungsarmen Gesellschaft
lässt immer mehr Menschen ihre
Arthrosen erleben. Um möglichst
sinnvoll mit den eigenen Gelenken umzugehen,
haben Empfehlungen für die richtige
Sportart und die richtige Belastungsintensität
für den Patienten mit Arthrose
eine besondere Bedeutung.
Pathologie der Arthrose
Pathologisch-anatomisch liegt der Arthrose
eine Insuffizienz der Chondrozyten zugrunde.
Die erforderliche Syntheseleistung zur
Produktion der hyalinen Grundsubstanz
(Proteoglykane) wird dadurch reduziert.
Im gesunden Knorpel ermöglicht
das große Wasserbindungs-vermögen
der Proteoglykane den hohen onkotischen
Druck innerhalb des Knorpels, wodurch
die ausgeprägte Druckbelastungsfähigkeit
und die reibungsfreie Artikulation des
Knorpels gewährleistet wird.Wenn
die erforderliche Syntheseleistung zur
Produktion der hyalinen Grundsubstanz
(Proteglykane) durch Minderleistung
der Chondrozyten reduziert ist, bedingt
dies ein Absenken des onkotischen Druckes,
damit eine Demaskierung der Kollagenfasern
und eine Aufrauung der Knorpeloberfläche,
was zum Elastizitätsverlust des
hyalinen Gelenkknorpels führt.
Die vermehrte Belastung der subchondralen
knöchernen Strukturen ruft Reaktionen
in Form von Osteophyten und Verdichtungen
der subchondralen Bezirke hervor. Aufgrund
dieser Veränderungen wurde der
Begriff Osteoarthrose geprägt.
Die als röntgenologische Verdichtungen imponierenden Veränderungen stellen das Ergebnis vermehrter Belastung der subchondralen ossären Zonen dar. In der Phase der Umwandlung des hyalinen Knorpels und der subchondralen knöchernen Strukturen besteht noch eine sekretorische Leistung der vorhandenen Chrondrozyten. Schwellungen der Gelenke und Schmerzen sind Zeichen einer aktivierten Arthrose, die, durch freigesetzte Entzündungs-mediatoren verursacht, eine Komplikation der Arthrose darstellt. Im Zustand der aktivierten Arthrose sind medikamentöse Behandlung und Physiotherapie zur Beseitigung der entzündlichen Erscheinungen erforderlich.
Arthrosebegünstigende Faktoren: Endogene Faktoren wie Stoffwechselerkrankungen und genetische Determination begünstigen die Arthroseentstehung. Als exogene Faktoren müssen wiederholte oder schlecht versorgte Mikrotraumen, Achsenfehlstellung, Überlastung durch Übergewicht und bei leichten Dysplasien sowie fehlende Belastung im Sinne der Unterfunktion gesehen werden. Inwieweit die Ernährung zusätzlich zum Faktor Übergewicht einen Einfluss auf die Arthroseentstehung hat, ist noch weitgehend ungeklärt. Ansätze hierzu können sowohl Nährstoffe mit Schutzwirkung als auch Nährstoffe mit modulierender Wirkung auf das Entzündungsprofil liefern.
Muskulatur und Arthrose: Die
beschriebenen Veränderungen des
Knorpels gehen häufig mit einer
Degeneration der Muskulatur einher.
Minderungen der Kraft, aber auch Veränderungen
der motorischen Eigenschaften führen
zu Störungen der Koordinationsfähigkeit.
Zwischen dem 20. und 70. Lebensjahr
verliert der nichttrainierte Mensch
etwa 40% seiner Skelettmuskelmasse mit
dem Resultat einer reduzierten Leistungsfähigkeit
der Haltungs- und Bewegungsorgane als
auch einer deutlichen Reduzierung seiner
aktiven Gelenkstabilisierung. Durch
zusätzliche Abnahme schneller Muskelfasern
(Typ-II-Fasern) verliert die Muskulatur
speziell an koordinativer Leistungsfähigkeit.
Der älterwerdende Mensch weist
zudem ein erhöhtes Maß an
muskulären Dysbalancen auf. Die
tonische Muskulatur, die besonders eine
ausgeprägte Haltefunktion besitzt,
ist häufig stark verkürzt
und hypertonisch. Die phasische Muskulatur
neigt dagegen zur Atrophie und büßt
ihre Funktion als Antagonist teilweise
ein. Diesen muskulären Veränderungen
kann wohldosierte sportliche Aktivität
über den Abbau der Dysbalancen
hervorragend entgegenwirken.
Sport bei Arthrose
Eine regelmäßige und maßvolle
körperliche Belastung der Arthrosepatienten
wird allgemein als sinnvoll angesehen.
Die Autoren der jüngeren Literatur
sind sich darin einig, dass sich Arthrose
und Sport ergänzen und nicht gegenseitig
ausschließen. Einige der wichtigsten
Ziele des Sports sind dabei Schmerzlinderung,
Funktionserhaltung bzw. Funktionsverbesserung,
positive psychologische Effekte wie
Ablenkung von Schmerz und Motivation
zur Bewegung.Unter Berücksichtigung
der Veränderung von Gelenkstrukturen
mit zunehmendem Alter bestehen generelle
Richtlinien für sportliche Betätigung
bei Arthrose aufgestellt, die jeweils
individueller Abwandlung bedürfen.
Die Sportarten sollten nach folgenden
Grundregeln ausgesucht werden:
Empfehlenswerte Sportarten
Unter Berücksichtigung des Hauptzieles
"Mobilitätsverbesserung" eignen
sich generell die klassischen Ausdauersportarten
wie Schwimmen, Radfahren (ggfs. Ergometer),
Dauerlauf und Skilanglauf sowie neue,
gelenkschonende Aktivitäten wie
Aquajogging und Walking, aber auch Inline-Skating.
Sport sollte als "Sonderform der aktiven
physikalischen Therapie" verstanden
werden. Die positiven Seiten sportlicher
Betätigung sind bei der Beratung
des Arthrosepatienten herauszuheben.
Wie bei jeder ärztlichen Beratung eines Patienten muss dessen Gesamtsituation berücksichtigt werden. Wenn in der Sportanamnese frühere sportliche Aktivitäten vorhanden sind, empfiehlt es sich, diese oder artverwandte Sportarten "arthroseangepasst" wieder aufzunehmen. Folgende Punkte sind dabei zu berücksichtigen:
Gymnastik – Vorbereitung und Nachbereitung sportlicher Aktivitäten – AusgleichsgymnastikWie ist die muskuläre Situation des betroffenen Gelenkes? Welche Sportart wird vom Patienten favorisiert? Ist die gewünschte Sportart bereits früher, evtl. sogar länger ausgeübt worden? In welcher Häufigkeit sind bisher Zeichen einer aktivierten Arthrose aufgetreten? Wie hat sich der Röntgenbefund des betroffenen Gelenkes in den letzten Jahren entwickelt? Es ist notwendig, eine Analyse der gewünschten Sportart unter besonderer Berücksichtigung der punktuellen Gelenkbelastung durchzuführen.
Ausdauersport
Hier muss immer wieder darauf hingewiesen
werden, dass fehlende Kondition im Zusammenhang
mit daraus resultierender fehlender
Koordination ein erhöhtes Verletzungsrisiko
darstellt, was die Notwendigkeit von
Ausdauertraining in der Arthrosetherapie
verdeutlicht. Zusätzlich ist aus
der Sicht des beratenden Arztes darauf
hinzuwirken, dass ausreichende Pausen
zwischen Trainings- und Wettkampfeinheiten
eingehalten werden sollten, da mit zunehmendem
Alter die Regenerationsphasen, speziell
auch der bradytrophen Gewebe verlängert
sind. Kriterium für die ausreichende
Pausenlänge sollte die Schmerzfreiheit
bei Wiederaufnahme der sportlichen Tätigkeit
sein. Ausdauersportarten sind darüber
hinaus für den meist älteren
Arthrose-Patienten aus allgemeiner gesundheitlicher
Sicht bedeutsam (Herz-Kreislaufprävention,
Intervention bei Übergewicht, Stoffwechselstörungen
etc). Sie können in verschiedener
Form durchgeführt werden, die nachfolgend
aus der Sicht der Arthrose kommentiert
werden.
Sportarten
Schwimmen – Aquajogging: Ohne
Zweifel ist für viele Menschen
mit fortgeschrittener Arthrose die Bewegung
im Wasser besonders empfehlenswert,
da sich durch den Auftrieb des Wassers
die Belastung der Gelenke deutlich reduziert.
Positiv wirkt auch eine höhere
Wassertemperatur z.B. von ca. 30°
C. Schwimmen besitzt allerdings nicht
eine generell gesundmachende Wirkung
bei Arthrose und muß differenziert
betrachtet werden. Kraul- und Rückenschwimmen
sind bezüglich verschiedenster
degenerativer Veränderungen empfehlenswerter
als das leider häufig zu oft eingesetzte
Brustschwimmen. Hierbei ist die Haltung
meist zwanghaft, wobei der Kopf aus
dem Wasser herausgehalten und eine Hyperlordose
der HWS und LWS verursacht wird; dies
bewirkt eine Anspannung der verkürzten
tonischen Nacken- und Rückenmuskulatur
und eine Abschwächung der phasischen
Gesäß- und Bauchmuskulatur.
Für geübte Schwimmer ist daher
die Kraulschwimmtechnik die empfehlenswerteste
Stilart. Das Aquajogging mit Auftriebsweste
ermöglicht auch bei fortgeschrittenen
Gon- und Coxarthrosen ein Bewegungstraining
unter vollständiger Entlastung
der Gelenke bei gleichzeitig guter Trainingswirkung
auf Herzkreislauf und Stoffwechsel.
Radfahren – Ergometer: Dem Radfahren als sportliche Belastung kommt im Rahmen des Ausdauersports eine zunehmend größere Bedeutung zu. Speziell bei arthrotisch veränderten Gelenken der unteren Extremitäten ist Fahrradtraining auch über einen längeren Zeitraum hinweg möglich und hilfreich. Es sollte darauf geachtet werden, dass in möglichst kleinen Übersetzungen eine relativ hohe Trittfrequenz erreicht wird, um die Gelenkbelastung zu reduzieren und die Beweglichkeit zu fördern. Regelmäßiges Radfahren führt zur Verkürzung der rückseitigen Oberschenkelmuskulatur. Dem sollte man mit gezielter Muskeldehnung entgegenwirken.
Dauerlauf – Walking: Dauerlauf, landläufig meist als Jogging bezeichnet, ist eine Sportart, die ein koordinatives Lernen nur in geringem Umfang erforderlich macht und die bis ins hohe Alter hinein betrieben werden kann. Da die Gelenkbelastungen während des Joggens bei jedem Schritt beim 2,5- bis 3,0-fachen des Körpergewichts liegen, ist für Übergewichtige und untrainierte Menschen alternativ das Walking mit einer Gelenkbelastung vom 1,0- bis 1,5-fachen des Körpergewichts zu empfehlen. Bergläufe und harter Untergrund erhöhen zwangsläufig die Gelenkbelastung. Schuhwerk mit ausreichender Stützfunktion und überdurchschnittlicher Dämpfungseigenschaft kann die Gelenkbelastungen reduzieren.
Skilanglauf – alpiner Skilauf: Der Skilanglauf, der mit seinen harmonischen Bewegungen sehr vorteilhaft nahezu sämtliche Muskeln und Gelenke zum Einsatz kommen lässt, ist als saisonale Ergänzungssportart sehr zu empfehlen. Zu bedenken ist jedoch, dass Ungeübte aufgrund ihrer mangelnden Lauftechnik ein erhöhtes Verletzungsrisiko tragen. Mögliche Verletzungen im Skilanglauf betreffen sämtliche Teile des Körpers und erreichen im Schweregrad, wenn auch in geringer Häufigkeit, die Verletzungen im alpinen Skisport. Von geübten Skilangläufern kann die Sportart bis ins hohe Alter ausgeübt werden. Alpiner Skilauf erfüllt die Ansprüche als belastungsarme Bewegungstherapie nur bedingt, da die koordinativen Fähigkeiten arthrotischer Gelenke deutlich reduziert sind und damit unerwünschte Stauchungen nicht sicher vermieden werden können. Es wäre allerdings überzogen, geübten alpinen Skiläufern mit Arthrosen das Skilaufen zu verbieten. Es sollten allerdings Anleitungen zu Schontechniken gegeben werden.
Sonstige Sportarten: Unter Anerkennung der vorgenannten Allgemeinkriterien können auch Ballspielarten und Rückschlagspiele ausgeführt werden. Berücksichtigt werden soll jedoch, dass diese Sportarten nur dann sinnvoll sind, wenn sie bereits in der Vergangenheit ausgeführt wurden. In diesem Fall ist sichergestellt, dass die koordinativen Fähigkeiten auch nach längerer Pause nicht völlig neu erlernt werden müssen und somit die Unfall- und Überlastungs-gefährdung deutlich reduziert ist.
Welcher Sport bei Arthrose? Neben der täglichen Gymnastik eignen sich vor allem 2 Sportarten für Patienten, die mit einer Arthrose leben müssen: Schwimmen und Radfahren. Folgende Auswahl zusätzlich aufgeführter Sportarten kann der Patient evtl. betreiben, wenn keine Kontraindikationen bestehen:
Schlussbemerkung:
Die Kenntnis über die unterschiedlichen
Bewegungsformen und Belastungen sowie
über die Unfallgefährdung
in den einzelnen Sportarten ist die
erforderliche Basis für eine gute
Beratung eines jeden Sportlers, besonders
wenn potenzielle Einschränkungen
– wie Arthrose – berücksichtigt
werden müssen. Die individuelle
Beratung des Arthrosepatienten erfordert
von ärztlicher Seite deshalb möglichst
genaue Kenntnisse der betriebenen Sportarten.
Von leistungssportlichen Aktivitäten
und Belastungen mit Wettkampfanforderungen
sollte bei bestehender Arthrose abgeraten
werden.
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Hogstedt C: Sports and osteoarthrosis
of the hip, Am J Sports Med 21, 195-200
(1993) Stand: August 1998
Federführend für den Inhalt:
Dr.med. Klaus Steinbach, Chefarzt der
Klinik für Orthopädie und Sportmedizin
der Hochwald-Kliniken, 66707 Weiskirchen,
unter Mitarbeit von
Prof.Dr.A.Berg, Freiburg (Sektionsvorsitzender);
Dr.J.Eltze, Köln; Dr.Heidemarie Franke,
Magdeburg; Dr.G.Glatthaar, Nürnberg;
Dr.J.Mönnich, Bad Salzuflen; Prof.Dr.P.E.Nowacki,
Giessen; PD Dr.H.G.Predel, Köln;
Dr.B.Tschirdewahn, Bad Buchau und PD Dr.H.Zerbes,
Altenberg
Stand: November 2000
© Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (Deutscher Sportärztebund)
Ingo @verdunk
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