11. August 2006 / ia

Yasutsune Itosu's historischer Brief an das japanische Gesundheitsministerium

Yasutsune Itosu (1830-1915)

Yasutsune Itosu - Lehrer von Gichin Funakoshi, dem Begründer des Modernen Karate - schrieb im Jahre 1908 folgenden historischen Brief an das japanische Gesundheitsministerium:

Karate stammt nicht vom Buddhismus oder Konfuzianismus ab. In den alten Tagen wurden zwei Stile des Karate, der Shorin- und Shorei-Stil, von China eingeführt. Beide unterstützen gesunde Prinzipien, und es ist wichtig, dass sie bewahrt und nicht geändert werden.

Daher werde ich hier erwähnen, was man über Karate wissen muss.

  1. Karate strebt nicht nur danach, den Körper zu disziplinieren, sondern dient der Erhaltung der Gesundheit. Wenn es notwendig ist, für eine gerechte Sache zu kämpfen, sorgt Karate für die Tapferkeit und für die Stärke, durch die man sein eigenes Leben für diese Sache aufs Spiel setzen kann.

    Es ist nicht dazu gedacht, im Wettbewerb eingesetzt zu werden, sondern viel eher ein Mittel, seinen Hände und Füße in einer ernsthaften Begegnung mit einen Raufbold oder Schurken zu gebrauchen.

  2. Der Zweck des Karate-Trainings ist es, die Muskeln zu stärken und den Körper stark wie Eisen und Stein zu machen, so dass man die Hände und Füße wie Schwerter einsetzten kann.

  3. Karate kann in einem kurzen Zeitraum nicht ausreichend gelernt werden. Das gilt auch für einen, der sich entschließt, jeden Tag 2 oder 3 Stunden zu trainieren.

    Nach 3 oder 4 Jahren der nicht nachlassenden Bemühung (und des richtigen Trainings) wird sein Körper und sein Geist aber eine große Umwandlung zeigen und ihm die wahre Essenz des Karate enthüllen.

  4. Eines der wichtigsten Ziele des Karate ist das Training der Hände und Füße. Daher sollte man immer an der Makiwara üben, um sie vollständig zu entwickeln. Um dies effektiv zu tun, senkt man die Hüften, öffnet die Lungen, konzentriert die Energie, greift gut den Boden, um die Stellung zu verwurzeln und senkt das Ki (allgemein als Lebensenergie oder innere Kraft bekannt) in den Hara (zwei Finger breit unter dem Bauchnabel).

    Entsprechend dieser Prozedur führt man mit jeder Hand ein- bis zweihundert Fauststöße aus.

  5. Man muss beim Karate-Training immer eine aufrechte Position bewahren. Der Rücken muss gerade sein, die Lenden zeigen nach oben, die Schultern sind gesenkt während man eine geschmeidige Kraft in den Beinen behält. Man entspannt sich und bringt den oberen und den unteren Teil des Körpers zusammen wobei die Ki-Kraft im Hara konzentriert wird.

  6. Karate wurde nur durch mündliche Überlieferung weitergegeben und enthält Techniken mit dazu passenden Bedeutungen. Um Karate richtig zu verstehen, muss man sich entschließen den Zusammenhang dieser Techniken zu erforschen um die praktische Anwendung zu verstehen.

  7. Im Karate-Training muss man unterscheiden, ob die Techniken für die Selbstverteidigung oder für die Kultivierung des Charakters gedacht sind.

  8. Realität ist ein wichtiges Ziel im Karate-Training. Sich vorzustellen, dass man wirklich während des Trainings in einem Kampf ist, trägt viel zur Steigerung des Fortschritts bei. Daher sollten die Augen Entschlossenheit zeigen, während gleichzeitig die Schultern gesenkt sind und der ganze Körper entspannt ist, wenn man abwehrt oder einen Schlag ausführt. Nur ein Training in diesem Geist ist eine Vorbereitung auf einen echten Kampf.

  9. Überanstrenge dich nicht im Training, bis das Gesicht und die Augen rot werden, da du ansonsten Energie verlierst. Das Maß an Training muss im Verhältnis zur körperlichen Stärke und Kondition stehen. Exzessive Übung ist schädlich und schwächt den Körper.

  10. Karate-Übende genießen durch die Vorzüge des gesundheitsfördernden Trainings ein langes und gesundes Leben. Die Übung stärkt Muskeln und Knochen, verbessert die Verdauungsorgane und reguliert die Blutzirkulation.
Ich hoffe, Sie werden mein Schreiben aufmerksam lesen und über meine Worte nachdenken."

Itosu Yasutsune im Oktober 1908

Ingo @verdunk
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