31.August 2002 / ia

Frauen sollen sich verteidigen können

Psychologische und rechtliche Aspekte bei Gewaltanwendungen

Kempten - Eine erwartet große Resonanz hatte das Seminar "Gewalt gegen Frauen - Karate als Mittel der Selbstverteidigung" in Kempten. Über 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zählte der Breitensportreferent des Bayerischen Karate Bundes (BKB), Albert Schindler jun., bei der Begrüßung, im Karate-Landesleistungszentrum. Das Interesse war so groß, daß einige unangemeldet nach Kempten reisten. Damit schlossen der BKB und die Bayerische Akademie für Erwachsenenbildung im Sport den diesjährigen Zyklus ab. Zuvor liefen schon die Themen "Karate und Notwehr" und "Kobudo - Stockkampf für die Selbstverteidigung".

Als Referentin konnte Schindler die Beauftragte für Frauenfragen beim Polizeipräsidium Niederbayern/Oberpfalz, Erika Schmitt, begrüßen. In ihren Ausführungen ging die Kriminalhauptkommissarin auf Ängste, Verhaltensweisen von Frauen und Rollenzuweisungen für Frauen ein. Anschließend äußerte sie sich über den Sinn von Selbstverteidigungskursen für Frauen. In diesem Punkt entwickelte sich eine lebhafte Diskussion. Die Gruppe war gespalten in Befürworter von Kurzlehrgängen und scharfe Kritiker solcher Angebote. Der Graben verlief deutlich zwischen den Geschlechtern.

Erika Schmitt sieht eine Notwendigkeit dieser Kursangebote, "um den Frauen eine gewisse Unsicherheit zu nehmen". Sie wurde in ihrer Meinung vor allem von den anwesenden Frauen unterstützt. Diese Lehrgänge könnten dazu beitragen, sich sicherer zu bewegen und aufzutreten. Die Gegenseite sah eine technische Ausgereiftheit, also die praktische Anwendung, der Verteidigungstechniken bei kurzen Lehrgängen nicht gegeben. Diese Scheinsicherheit könnte verhängnisvoll sein. Die Frauen sahen das anders. "In der Frauenselbstverteidigung steht un-heimlich viel Psychologie dahinter", meinte eine Teilnehmerin. Die Gefahr dieser Scheinsicherheit sei zwar gegeben, "das wichtigste ist aber, daß die Frau sich sicherer fühlt". Einig waren sich alle, daß die Selbstverteidigung neben der Vermittlung von Techniken auch die psychologischen Aspekte wie Gefahrensituationen beinhalten müsse.

In der Folge driftete die Diskussion immer mehr in die Gesellschaftspolitik ab. Die Wurzel des Übels müsse bereits bei der Erziehung angepackt werden. Noch immer herrsche in unserer Gesellschaft bei den Männern die Einstellung, sich das, was sie wollen, notfalls mit Gewalt zu nehmen.

Im zweiten Teil des Seminars setzten sich die Anwesenden mit den rechtlichen Aspekten der Notwehrthematik beziehungsweise den Tatbeständen der Körperverletzung auseinander. Zunächst könne jeder Selbstverteidi-gungsakt für sich gesehen als Straftat der Körperverletzung angesehen werden, betonte Albert Schindler, der selbst in Polizeidiensten tätig ist. Vor Gericht müsse dann bewiesen werden, daß es sich um eine Notwehrsituation gehandelt habe. Doch das solle und dürfe niemanden daran hindern, bei gegebener Situation auf seine vorhan-denen Verteidigungskenntnisse zu verzichten. "Recht muß sich Unrecht nicht beugen", betonte er.

Diese Themenkreise werden auch 1991 wieder vom Bayerischen Karate Bund, teilweise in Kooperation mit der Bayerischen Akademie für Erwachsenenbildung im Sport, wieder angeboten.

Ingo @verdunk
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