31. Mai 2004 / mm

Kirche und Karate: Ein Priester geht seinen Weg

Bad Reichenhall - In einem Tal, umgeben von hohen Bergen in Bad Reichenhall, liegt die Pfarrgemeinde St. Nikolaus des Pfarrers Eugen Strasser-Langenfeld. Zusammen mit seiner Pfarrhaushälterin Christine Freiwang bietet der 45-jährige Priester im Pfarrheim etwas ganz außergewöhnliches für seine Gemeindemitglieder an: Karatetraining. In einem dafür mit Spiegelwänden ausgelegten Raum, treffen sich 3mal in der Woche, unter der Leitung von Frau Freiwang, ca. 20 Mitglieder zwischen 5 und 50 Jahren.

Der Anfang

Bereits als Jugendlicher interessierte er sich durch diverse Serien im Fernsehen für Kung-Fu, da nicht nur Wert auf Action gelegt wurde, sondern auch philosophische Aspekte vorgekommen sind. 1997 erweckte ein Werbezettel eines Karate-Studios in München das Interesse von Eugen Strasser-Langenfeld und seiner Haushälterin. Im Karatetraining fand er genau das, wonach er die ganzen Jahre gesucht hatte: "Einen Sport, der eine tiefe geschichtliche Vergangenheit besitzt und viele philosophische bzw. auch ethische Aspekte beinhaltet."

Der Weg

Sein damaliger Trainer Werner Bachhuber ist seit 1989 Leiter des Dojos in München, Schüler von Sensei Jamal Measara und lehrt die Kampfkunst des Shorin Ryu Seibukan. Bereits seit 1981 betreibt er Karate und ist im Besitz des 2. DAN. Er legt in seinem Training mindestens genauso viel Wert auf die ethischen Grundsätze, wie auf den sportlichen Gesichtspunkt.


Trainer Werner Bachhuber (vorne links) aus München besucht noch oft das Dojo von Pfarrer Eugen Strasser-Langenfeld (ganz rechts hinten).
Foto: Melanie Müller

Durch die Begegnung zwischen Werner Bachhuber und Pfarrer Strasser-Langenfeld hat sich eine große Freundschaft entwickelt, deren Wege sich auch nach dem Umzug des Pfarrers von München in die Gemeinde Bad Reichenhall nicht trennten. Nachdem Werner zusammen mit dem Priester diverse Selbstverteidigungs- und Karatecrashkurse im Gemeindesaal abhielt, war die Nachfrage nach einem kontinuierlichen Training bei den Teilnehmern groß. Daraus entstand sozusagen die "Zweigstelle" in Bad Reichenhall zum Seibukan Karate Dojo e.V. in München.

Die Verbindung zwischen Karate und Kirche

Natürlich interessiert uns auch der besondere Aspekt, dass ein Mann der Kirche sich in Karate ausbilden lässt und das noch dazu in den Räumen seiner Pfarrei. Wie lässt sich denn die christliche Lehre "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" mit Karate in Einklang bringen? Wie kann man so Jesus Christus nachfolgen, der Gewaltlosigkeit lehrte? Pfarrer Strasser-Langenfeld brachte dazu sehr interessante Gedanken zum Ausdruck.


Wie in jedem Karate-Training erfolgt auch hier vor und nach dem Training eine kurze Meditation. Ein schlechtes Gewissen hat der Pfarrer dabei nicht. "Wir richten dabei den Blick nach oben, wir erweisen lediglich Respekt. Mit Anbetung hat das nichts zu tun."
Foto: Melanie Müller

In seiner pastoralischen Arbeit hat er sich vielfach mit dem Thema Gewalt auseinandergesetzt. Gerade in der Seelsorge galt es immer wieder Menschen mit Gewalterfahrungen zu begleiten. Predigten, Vorträge, spezielle Schulstunden, eine Radiosendungen folgten. In München gründete er zusammen mit Frau Freiwang eine Zusammenarbeit von Psychotherapeuten, Priestern und Laienmitarbeitern. Eine Ausbildung in körperorientierter Psychotherapie mit dem Schwerpunkt "sexualisierte Gewalt und dissoziative Identitätsstörung" (als Folge sehr früher Gewalterfahrung) kam ergänzend dazu. Karate als therapeutischer Weg wurde in dieser Zeit immer wichtiger. Zum einen kann Karate den Opfern helfen eigene Gewalterfahrungen aufzuarbeiten und einen neuen Stand im Leben zu gewinnen, zum anderen stärkt Karate das Selbstvertrauen, so dass die Gefahr, selbst Opfer zu werden, sich verringert. All das macht deutlich, dass Karate eine Hilfe ist, Selbstheilungskräfte zu aktivieren und dazu beiträgt, Gewalt in der Gesellschaft zu mindern und zum Frieden beizutragen.

Diese Aspekte gehören auch wesentlich zur Botschaft Jesu. Er kam um zu heilen und zu befreien und brachte den Frieden. Das Dojo im Pfarrheim von St. Nikolaus ist somit ein Angebot an jung und alt, sich offensiv mit dem Thema Gewalt auseinander zusetzen und einen Do des Friedens zu lernen. Denn Karate heißt nicht nur leere Hand, sondern ich habe nichts in der Hand, ich komme in Frieden.

Melanie Müller,
Medienreferentin im BKB

Links in Karate-Online Links im Internet
Shorin Ryu Seibukan St. Nikolaus, Bad Reichenhall
Süddeutsche Zeitung (29.12.2003): Karate unterm Kruzifix
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Ingo @verdunk
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