29.Januar 2002 / mm

Karate als Therapieunterstützung

Traunreut - Keine leichte Aufgabe stellte sich Ilse Werner, als Sie vor 3 Jahren im Wilhelm Löhe Zentrum (ein Heim und Tagesstätte für behinderte Kinder und Jugendliche) eine Karategruppe gründete. Von beiden Seiten war es ein "Experiment" und zugleich eine hohe Herausforderung, Karate im heilpädagogischen Bereich einzusetzen. Anfangs waren die beiden Heimleiter Martin Bügler und Georg Eisenberger etwas skeptisch, da sie bei Karate immer ein wenig an Schlägern dachten. Schnell wurden sie eines besseren belehrt, sie stehen nun voll hinter der Gruppe und geben Unterstützung wo es braucht.

Mit einer 5-köpfigen Gruppe begann das Pilotprojekt im Januar 2000. Mittlerweile ist dies nun auf 5 Gruppen mit insgesamt 50 Kindern angewachsen. Keine Gruppe ist größer als 10 Kinder mit nur maximal zwei Gürtelstufen Unterschied. Ein großer Erfolg für Ilse Werner: "Es bedeutet mir viel die Kinder zu trainieren. Ich hätte nie geglaubt, dass sie so schnell Fortschritte machen." Die Ausgangsbasis des Trainings ist unterschiedlich; einige sind geistig eingeschränkt, andere lernbehindert, alle jedoch hatten Probleme mit der Grob- und Feinmotorik. So verwechseln sie zum Beispiel die rechte Hand mit der linken Hand oder sie können nicht auf einem Bein balancieren. Bei solchen Handicaps erreichte Ilse mit ihrem Training, außerdem mit viel Geduld und Verständnis, deutliche Fortschritte. Der Gleichgewichtssinn, die Reflexionswahrnehmung und die Beweglichkeit im Allgemeinen wurden verbessert.

Da Karate ein ganzheitlicher Sport ist wirkt er sich sowohl physisch als auch psychisch positiv aus. Das merken dann auch die Lehrer deutlich am besseren Lernverhalten und besseren schulischen Leistungen. Hyperaktivität wird beispielsweise in positive Bahnen gelenkt und das Wort Disziplin gewinnt wieder an Bedeutung. Dies sind die Erfolge welche die Pädagogen feststellen, aber auch den Jugendlichen selbst bringt Karate sehr viel. Sie sind viel selbstbewusster und haben ein neues Selbstwertgefühl. Ein Junge meinte kürzlich nach seiner ersten gut gelaufenen Kata, stolz und mit Tränen in den Augen: "Jetzt habe ich zum erstenmal im Leben etwas richtig gemacht". Einem Mädchen mit wackeligen Beinen versuchten verschiedene Therapeuten einen festen Stand zu vermitteln, kamen aber mit ihr nicht recht weiter . Nach ca. 3 Monaten Karate verbesserten sich Ihre Koordination und ihre Beinstellung extrem. Der Grund: Das Kind hatte das Training nicht als Therapie angesehen, sondern wollte Karate für sich lernen und hat dabei einen beachtlichen Ergeiz entwickelt. Doch ist es für den/die Trainer/in nicht mit einem herkömmlichen Karatetraining zu vergleichen meint Ilse. Man braucht hierfür ein großes Einfühlungsvermögen, da die Kinder oft ein irrationales Verhalten zeigen. Zum Teil haben sie kein Gefühl für Scherze und nehmen jeden Spaß als ernst .Wenn man sie korrigiert muss man dabei gleichzeitig darauf achten, dass man sie nicht beschämt. Jedes einzelne Kind ist eine persönliche Herausforderung, auf die man sich individuell einstellen und umstellen muss. Als Trainer/in brauche man nicht unbedingt eine spezielle Ausbildung, außer natürlich den Fachübungsleiterschein im Karate.

Ein großes Kriterium ist jedoch ein starkes Einfühlungsvermögen, Liebe zu den Kindern und evtl. schon etwas Erfahrung im Umgang mit körperlich und geistig behinderten Menschen. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil wäre, wenn man als "Elternteil" selbst bereits mit der Erziehung der eigenen Kinder Erfahrungen gesammelt hat und diese mit einbringt. Des weiteren meinte Ilse sollte man für solch eine Arbeit weiterbildende Lehrgänge besuchen, welche speziell auf Kindertraining sowie auf Gesundheitstraining ausgelegt sind. In diesem Zusammenhang möchte Ilse ein großes Lob und ein dickes Dankeschön an Helmut Cornelie aussprechen. Er vermittelte Ihr gerade für diese Arbeit viel Basiswissen und viele praktische Anleitungen. Seine Kurse für Fachübungsleiter sowie das Gesundheitstrainer-Diplom sind sehr zu empfehlen. Ilse Werner selbst ist seit diesem Herbst Trägerin des ersten Schwarzgurtes (1. DAN), worauf Sie besonders stolz ist . Jahrelanges hartes Training mit denselben hohen Anforderungen an sich selbst, wie sie sie auch an ihre Gruppen stellt, haben sich bezahlt gemacht und sie hat nun eines ihrer größten Ziele im Karate erreicht. Auch in ihrer sportlichen Laufbahn hat Ilse schon beachtliche Erfolge verzeichnen können. Ihr erster Start war der Kata Pokal 1998 in Durach-Weidach im gemischten Pool. Weitere Wettkämpfe folgten, wie z.B. die Bezirksmeisterschaften in Oberbayern, bei welchen Sie im Kumite (Kampf) der Senioren 4. und 5. Plätze erreichte. Als Ihren größten Sieg nannte Ilse Ihren 1. Platz beim KOI World Cup 2002 in Dresden in der Kategorie Kata der Damen über 35 Jahre. Ilses größtes Anliegen ist, das Ihr Projekt Schule macht und auch in weiteren Einrichtungen durchgeführt wird, Karate zur Therapieunterstützung aus- und aufzubauen .

Der Bayerische Karate Bund hat bereits reagiert und startet zusammen mit Ihr und dem Vizepräsidenten Fritz Oblinger am 28.-30.März 2003 ein Karate-Weekend im BLSV Sport und Jugendferiendorf Inzell. Dieses bisher einmalige Pilotprojekt im BKB trägt den Titel: Auch wir machen Karate!!!. Teilnehmen sollen junge behinderte Menschen, interessierte Trainer und Dojoleiter. Die Teilnehmerzahl wurde auf max. 50 Teilnehmer begrenzt.

Weitere Infos erhaltet Ihr unter:

Melanie Müller,
Stellvertretende Medienreferentin im BKB

Ingo @verdunk
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